Führerscheinpflicht und Kennzeichen für Radfahrer: Warum dies sinnbefreit ist und was sinnvoller wäre

Führerscheinpflicht und Kennzeichen für Radfahrer: Warum dies sinnbefreit ist und was sinnvoller wäre.

Immer wieder wird eine Führerscheinpflicht für Radfahrer vorgetragen. Tatsächlich hat das Meinungsforschungsinstitut Forsa eine solche Umfrage durchgeführt. 52 Prozent der Befragten sprachen sich für einen solchen Führerschein aus. 47 Prozent waren dagegen. Man muss sich allerdings ehrlich fragen, ob die Personen die sich für diese Forderung aussprachen sachlich darüber nachgedacht haben.

Wenn man darüber nachdenkt, dann ergibt dies auch für Nicht-Radfahrer keinen Sinn. Warum? Die meisten Radfahrer haben einen Führerschein, weil Sie eben nicht nur auf dem Fahrrad sitzen, sondern hin und wieder auch im Auto. Laut Statista sind ca. 70 Millionen Bürger in Deutschland in einem Alter um einen Führerschein für das Auto inne zu haben. Knapp 56 Millionen besitzen einen Führerschein. Das sind also 80 %. Das lässt die Vermutung zu, dass ca. 80 % der erwachsenen Radfahrer bereits über einen Führerschein verfügen. Bleiben also noch 20 % und Kinder.

In Deutschland ist es seit vielen Jahren üblich, dass in Kindergarten und in der Schule Verkehrserziehung oder Verkehrsunterricht stattfindet. Es gibt teilweise für Grundschüler eine Fußgängerprüfung. Die Verkehrsexperten und die Bildungspläne setzen die durchschnittliche Verkehrsreife des Kindes für die Fußgängerprüfung mit fünf bis sieben Jahren bzw. für das erste bis zweite Schuljahr an und sehen die Radfahrausbildung und Radfahrprüfung frühestens für das dritte bis vierte Schuljahr vor.

Fast jeder hat bereits einen Führerschein!

Somit liegt die Annahme vor, dass Kinder und auch die 20 % der Erwachsene ohne Kfz-Führerschein in der Grundschule eine Radfahrerprüfung abgelegt haben. Die Anzahl die in der Schule keine Prüfung gemacht haben und später auch keine Autoführerschein erworben haben dürfte sehr gering und irrelevant sein.

Wer jetzt lauthals anmerkt, dass die Radfahrerprüfung in der Grundschule zu lange her ist und die Radfahrer sich daran überhaupt nicht mehr erinnern und daher unbedingt eine Nachprüfung machen sollten, diejenigen sollten mal auf das Ausstellungsdatum ihres Autoführerscheins schauen und überlegen, wann sie das letzte Mal eine Nachprüfung dafür gemacht haben. Außerdem gab es in letzten Jahren und Jahrzehnte eine Vielzahl von neuen Verkehrsschildern und neuen Gesetzten im Straßenverkehr. Der Gesetzgeber setzt hier auf das Selbststudium der Verkehrsteilnehmer und nicht auf eine Nachschulung. Eins sollte klar sein, das Führen eines Kraftfahrzeugs stellt eine sehr viel größere Betriebsgefahr als das Radfahren dar.

Kennzeichenpflicht für Fahrräder

Die Betriebsgefahr ist die perfekte Überleitung zum zweiten beliebten Thema: Die Kennzeichenpflicht für Fahrräder. Zuerst zieht eine Kennzeichnungspflicht normalerweise auch eine Versicherungspflicht nach sich. Aber warum ist dies so? Das Zauberwort heißt Gefährdungshaftung. Die Gesellschaft erlaubt bestimmte Verhaltensweisen trotz ihrer Gefährlichkeit auf Grund ihrer sozialen Nützlichkeit. Man nennt dies sozialadäquates Verhalten. Wer beispielsweise mit einem Kraftfahrzeug am Straßenverkehr teilnimmt, ein Kernkraftwerk betreibt, eine Eisenbahngesellschaft unterhält oder Produkte in den Verkehr bringt, tut nichts Unrechtes, obwohl er (hoffentlich) weiß, dass sein Verhalten unter Umständen für einen oder viele gefährlich werden kann.

Soll heißen; mit einem Auto kann ich sehr leicht fremde Sachen beschädigen und andere Menschen (schwer) verletzen oder töten. Daher muss auch eine Haftpflichtversicherung abgeschlossen werden, da ansonsten der Betrieb verboten ist. Fahrradfahrer, Tretroller oder Fußgänger stellen keine vergleichbare Gefahr dar und unterliegen daher richtigerweise auch nicht der Kennzeichen- und Versicherungspflicht.

Kennzeichenpflicht würde auch eine Versicherungspflicht für Radfahrer bedeuten!

Die aller meisten Bundesbürger verfügen über eine private Haftpflichtversicherung. Diese deckt im Normalfall Schäden ab, die als Radfahrer verursacht wurden. Somit sind auch ohne Pflicht die meisten Radfahrer versichert.

Aufgrund der Betriebsgefahr müssen Autos in Deutschland zur Aufrechterhaltung der Betriebserlaubnis auch regelmäßig zum TÜV. Ein Fahrrad muss auch verkehrssicher sein, aber es besteht keine Pflicht dies regelmäßig nachzuweisen. Ein nicht verkehrssicheres Fahrrad ist im Normalfall nur für den Fahrer gefährlich. Ein nicht verkehrssicheres Auto ist in erster Linie für andere Menschen bzw. deren Hab und Gut gefährlich.

Neben dem Nachweis der Versicherung (wie beim Kleinkraftrad) könnte ein Kennzeichen vor allem dazu dienen, den Eigentümer eines Fahrrades im Zusammenhang mit einem Verkehrsverstoß zu identifizieren. Im Gegensatz zum Kfz-Verkehr gibt es jedoch keine standardisierten Messverfahren, um Verkehrsverstöße von Radfahrern zu erfassen und zu dokumentieren. Verstöße müssen immer augenscheinlich erkannt werden.

Die Anhaltekontrolle durch die Polizei mit unmittelbarer Belehrung und ggf. Bußgeld erscheint in diesem Zusammenhang pädagogisch wesentlich sinnvoller, als die postalische Zustellung eines Bußgeldbescheides – mit Auskunftsersuchen, wer denn wohl der Fahrer des Fahrrades war?

Manche Verkehrsteilnehmer wünschen sich, dass sie mit Hilfe eines Kennzeichens Verkehrsverstöße von Fahrradfahrern selbst anzeigen können. Die Verkehrsüberwachung ist jedoch eine hoheitliche Aufgabe, die i.d.R. durch die Polizei und in bestimmten Fällen durch Ordnungsämter wahrgenommen wird. Ein Verkehrsteilnehmer kann zivilrechtlich nur klagen, wenn er von einem anderen geschädigt wurde.

Kennzeichen für Fahrräder: Aufwand steht in keinen Verhältnis zum Nutzen

Auf der Welt gab es -soweit bekannt- nur in der Schweiz und Lichtenstein zeitweise ein Kennzeichenpflicht für Fahrräder. Die Velovignette war bis zum 31.12.2011 Pflicht. Am Ende wurde Sie abgeschafft, weil man festgestellt hat, dass der Aufwand den Nutzen nicht rechtfertigt. Hier ein Bild der damaligen Velovignette:

Quelle https://de.wikipedia.org/wiki/Velovignette

Aus dem Bild lässt sich noch eine ganz pragmatisch Schlussfolgerung in Bezug auf das Verhalten und die Fahrerflucht von Radfahrern ableiten. Bei einem Verkehrsunfall fällt es Zeugen und Beteiligten häufig nicht leicht sich an das Kennzeichen des Fahrzeugs zu erinnern. Jeder hat es sicherlich schon mal in einer kritischen Situation befunden. Das merken des Kennzeichen ist selbst bei Autos schwer. Wenn man sich dann vor Augen führt, welche geringen Ausmaße ein Kennzeichen für Fahrräder hätte, dann wird jedem klar, dass der vermeintliche Effekt durch die Kennzeichnung gegen Null tendiert.

Was wirklich hilft, ist der vehemente Einsatz für eine bessere und flächendeckende Infrastruktur für den Radverkehr

Was wirklich hilft, ist der verstärkte Einsatz für eine bessere und flächendeckende Infrastruktur für den Radverkehr. Autos fahren auf der Straße. Für Fahrräder gibt es zurzeit mehr als 10 unterschiedliche Wegeformen mit unterschiedlichen Regeln.

Diese Wechsel dazu noch ständige und teilweise ohne logischen Gründe im Verlauf einer Route. Eine Regelverletzung kann allein deswegen ohne böse Absicht eintreten.

Und nicht zuletzt das verinnerlichen des § 1 Grundregeln StVO zu:

(1) Die Teilnahme am Straßenverkehr erfordert ständige Vorsicht und gegenseitige Rücksicht.

(2) Wer am Verkehr teilnimmt hat sich so zu verhalten, dass kein Anderer geschädigt, gefährdet oder mehr, als nach den Umständen unvermeidbar, behindert oder belästigt wird.

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3 Gedanken zu “Führerscheinpflicht und Kennzeichen für Radfahrer: Warum dies sinnbefreit ist und was sinnvoller wäre

  1. Betrifft Kennzeichenpflicht für Radfahrer
    Ich halte eine Kennzeichenpflicht für Radfahrer für sinnvoll und damit auch eine Haftpflichtversicherung, wie bei motorisierten Fahrzeugen. Durch ein Kennzeichen kann zumindest der Halter des Fahrrades ermittelt werden. In ihrem Beitrag oben schreiben sie, dass von einem Fahrrad keine große Gefahr ausgeht. Diese Aussage ist falsch! In meinem Bereich sind zwei Radfahrer zusammengestoßen, wobei einer tödliche Verletzungen erlitten hat. Und dann ist da die Haftungsfrage. Hat jeder Radfahrer eine Haftpflichtversicherung oder eine Privathaftpflichtversicherung? Wer zahlt bei großen Schäden oder schweren Verletzungen? Hat der Radfahrer keine entsprechende Versicherung zahlt er bestimmt gerne aus eigener Tasche. Oder sehe ich das falsch?

  2. Zum Thema „Kennzeichenpflicht“ im Artikel:

    1.) Die Velovignette wurde zwar aus Kostengründen abgeschafft, aber weil die Versicherungsunternehmen teilweise umfassendere Angebote im Programm hatten und daher immer weniger „Standardversicherungen“ mit der Velovignette genutzt wurden. Die Versicherungen gaben die Vignette teilweise kostenlos mit der Privaten Haftpflicht ab. Damit rechnete sich die „eidgenössische Verwaltung“ einer Vignette natürlich nicht mehr.
    2.) Es geht nicht darum, die hoheitliche Aufgabe der Polizei zu übernehmen, auch nicht darum, jeden Fahrradfahrer zu melden, der mal nicht absteigt, wo er es eigentlich müsste. Es geht um die Möglichkeit, Personen in extremen Fällen identifizieren zu können. Zu entscheiden, wie diese Person dann involviert ist, obliegt anderen Institutionen. Aber zumindest sind alle Beteiligten identifiziert. Jedes Argument dagegen spräche auch gegen eine Kennzeichenpflicht bei Automobilen und Motorräder (oder – um den Vergleich zur Velovignette zu halten – bei E-Scootern, Mofas etc., die ein ähnliches Gefahrenpotential bieten wie Fahrräder. Wahrscheinlich sogar noch geringer). Auch bei PKW, Motorrad, LKW etc. gibt es trotz Kennzeichenpflicht Fälle mit Fahrerflucht, jedoch nicht immer erfolgreich! Und die Möglichkeit, identifiziert zu werden, lässt zumindest einen Teil derer anhalten, die sonst evtl. weitergefahren wären. Denen, die sich entfernen und welche dann trotzdem identifiziert werden, drohen Strafen. Richtig so!
    Auf dem Fahrrad kann man wie beim Automobil ein Schadensspektrum abbilden, welches von leichten Sach- bis zu schweren Personenschäden, sogar Tod reicht. Hier auf ein Gentleman’s Agreement zu bauen, bei dem die Verursacher brav stehen bleiben, auf den „Freund und Helfer“ warten um die Personalien herauszugeben, ist sehr naiv! Solche Vergehen aber zu dulden vor dem Hintergrund eines zu hohen Aufwands (welcher sich allerdings auf die Versicherungssituation bezog) ist moralisch ebenso verwerflich, wie sich unerkannt vom Geschehen zu entfernen. Man erwartet ja, dass Fahrradfahrer als gleichwertiger Verkehrsteilnehmer wahrgenommen werden – zu recht wohlgemerkt! Hier ist seitens Verkehrspolitik noch einiges umzusetzen zumal die Zahlen der Fahrradfahrer stark zunehmen! Das Fahrrad ist ein wunderbares Fortbewegungsmittel und weiter zu fördern! Aber mit dieser Anerkennung kommen auch Pflichten für die Nutzer. Und nur auf Selbstdisziplin und Gewissen zu bauen, das funktioniert leider nicht…

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