Der Konflikt auf der Straße zwischen den Verkehrsteilnehmern wird immer mehr stigmatisiert und aufgeblasen. Ständige gibt es neue Umfragen, Talkshows und so weiter.
„Autofahrer halten sich nicht an die Regeln! Radfahrer fahren immer bei rot! Fußgänger laufen sowieso wohin sie wollen.“
Im Endeffekt ist dies alles überflüssig, wenn sich alle Teilnehmer an § 1 der Straßenverkehrsordnung halten würden.
§ 1 Grundregeln StVO
(1) Die Teilnahme am Straßenverkehr erfordert ständige Vorsicht und gegenseitige Rücksicht.
(2) Wer am Verkehr teilnimmt hat sich so zu verhalten, dass kein Anderer geschädigt, gefährdet oder mehr, als nach den Umständen unvermeidbar, behindert oder belästigt wird.
Hugo Simberg – Tienhaarassa (1896) |
Die Teilnahme am Straßenverkehr erfordert ständige Vorsicht und gegenseitige Rücksicht.
Damit ist eigentlich alles gesagt. Die Konflikte sind aber vorhanden. Häufig werden Sie auch geschürt durch reine Meinungsmache. Zugegeben auch ich betreibe Meinungsmachen pro Fahrrad. Ich bin aber kein Ökoaktivist oder Ähnliches. Es ist meine tiefe Überzeugung, dass unsere Städte langfristig nur lebenswert bleiben, wenn wir dem immer stärker werdenden Verkehrsaufkommen durch Kraftfahrzeuge Herr werden. Städte müssen wieder für Menschen gemacht werden und nicht für Ihre Fahrzeuge. Eine Stadt ist auch dann lebenswert, wenn ich eine gute Mobilität habe. Dies kann das Auto sein, aber es sollte und muss viel mehr der ÖPNV oder das Fahrrad sein. Dies spart Platz. Platz der wiederum für sinnvolle Sachen genutzt werden kann. Ganz nebenbei fahre ich auch einfach gern Fahrrad.
Aber kommen wir wieder zurück zur Meinungsmache. Durch Zufall bin ich auf eine Forsa-Umfrage eines Kfz-Versicherers gestoßen. Dies ist der erste Treffer bei Google, wenn man „Radfahrer halten sich nicht an Regeln „ eingibt. Die Überschrift lautete:
„Eingebaute Vorfahrt“ 83 Prozent der deutschen Fahrradfahrer halten sich nicht immer an die Verkehrsregeln.
Was bleibt hängen? Mehr 80 % der Radfahrer missachten die Regeln. Balsam auf so manche Seele, die der Meinung sind alle Radfahrer fahren bei rot, haben kein Licht, usw. Aber was steht dort wirklich? „Nicht immer“ sind die entscheidenden Worte. Ein Blick in die Details verrät, dass 16 % sich absolut immer an die Regeln halten und 64 % selten eine Regel brechen. 14 % geben an eher häufig die Regeln zu missachten und 5 % sagen häufig. Man hätte also auch schreiben können: „Nur 5 % der Radfahrer verletzen häufig die Verkehrsregeln!“ Gleich Zahlengrundlage, aber eine ganz andere Wirkung.
„Nur 5 % der Radfahrer verletzen häufig die Verkehrsregeln!“
Traue keiner Statistik die du nicht selbst gefälscht hast. Hat schon Winston Churchill gesagt. Naja, glauben viele. Dass er dies wirklich gesagt hat, ist nicht belegt. Wahr ist, dass bereits 1946 der Satz in einer ähnlichen Form auftaucht.
„Was nutzt es also, wenn gewisse deutsche Regionen versuchen, die Welt zu überzeugen, sie seien an dem nazistischen Unheil „weniger“ schuld als ihre Brüder jenseits des Flusses? So viel haben sie schon gelernt, daß sie nur den Statistiken glauben, die sie selbst gefälscht haben.“ aus „Ameisenstaat oder Sintflut.“ Deutsche Rundschau, 1946, S. 139. Der Name des Zitatgebers ist unbekannt.
Aber ich schweife wieder ab. Der Kfz-Versicherer hat auch 2018 eine Forsa-Studie in Auftrag gegeben. Diesmal primär an Autofahrer gerichtet. Der Headliner auf einmal ganz sachlich: „Aktuelle Umfrage: „Verhaltensweisen deutscher Autofahrer und Sicherheit im Straßenverkehr“ als Zweitüberschrift heißt es dann „Laut forsa-Umfrage hatten drei von vier deutschen Autofahrern (75 Prozent) schon einmal einen Unfall, fast jeder Zehnte sogar mit Personenschaden (9 Prozent).“
95% der Autofahrer gaben an sich nicht immer an die vorgeschriebene Geschwindigkeit zu halten.
Das wirklich interessante findet man viel weiter unten. Es wurde u.a. gefragt, wer von den Autofahrern sich nicht an die vorgeschriebene Geschwindigkeit hält. 95% der Autofahrer gaben an sich nicht immer an die vorgeschriebene Geschwindigkeit zu halten. Davon beachtliche 33 % häufig bis sehr häufig. 62 % selten und nur 5 % halten sich immer an die Geschwindigkeitsbegrenzung.
Spannend ist jetzt noch was passiert, wenn man „Autofahrer halten sich nicht an die Regeln“ bei Google eingibt. Der erste Treffer geht noch auf das Thema ein (Viele Autofahrer ignorieren Verkehrsregeln – SPIEGEL ONLINE). Der zweite Treffer ist dann schon fast lustig: „Kaum jemand kennt sie: Die wichtigsten Regeln für Radfahrer – weather.com“. Es geht informativ weiter „Wo müssen Autofahrer bei einem Stoppschild genau halten – tz.de“ und dann sind wir auch wieder bei den Radfahrer „Radfahrer: Haltet Euch gefälligst an die Regeln – Zeit Online“. Bitte was, 95 % der Autofahrer halten sich nicht an die Regeln und bei Google sind scheinbar die Radfahrer die schuldigen. Ja nee is klar.
In diesem Sinne möchte ich Hans Kasper zitieren: „Propaganda ist die Kunst, den Teufel mit zwei gesunden Füßen zu fotografieren.“
Zum Schluss nochmal der Appell an alle Verkehrsteilnehmer: „Die Teilnahme am Straßenverkehr erfordert ständige Vorsicht und gegenseitige Rücksicht.
Wer am Verkehr teilnimmt hat sich so zu verhalten, dass kein Anderer geschädigt, gefährdet oder mehr, als nach den Umständen unvermeidbar, behindert oder belästigt wird.“
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Super Artikel.