Irrtümer im Radverkehr und beim BMVI!

Das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur hat auf seiner Homepage ein Rubrik zu den (aus Sicht des BMVI) häufigsten Irrtümer von Radfahrern. Ein paar sind aus meiner Sicht in der Darstellung unglücklich und unvollständige, daher habe ich meine Verbesserungsvorschläge zusammengefast. Was sind nun die häufigsten Irrtümer? Was dürfen Radfahrer?

Teil 1 gibt es hier: „Kritischer Blick auf das BMVI: Gelingt so eine Verkehrswende?“

Zebra Namibia by alexbeur

Vorfahrt auf dem Zebrastreifen

BMVI schreibt:

Annahme: 
Radfahrer haben an Zebrastreifen wie die Fußgänger Vorrang

Tatsache: 
Bei Zebrastreifen (Zeichen 293 der Straßenverkehrs-Ordnung) handelt es sich um Fußgängerüberwege. Mit Ausnahme der Straßenbahnen und anderen Schienenfahrzeuge haben dort alle Fahrzeuge den Fußgängern immer das Überqueren der Fahrbahn zu ermöglichen, wenn sie erkennbar den Überweg benutzen wollen. Dann dürfen die Fahrzeuge sich dem Zebrastreifen nur mit mäßiger Geschwindigkeit nähern, soweit notwendig, muss auch gewartet werden. Will der Radfahrer dort wie ein Fußgänger behandelt werden, so muss er absteigen und dann das Rad über den Zebrastreifen schieben! Befindet sich neben dem Zebrastreifen eine Radfahrerfurt oder wird die Radfahrerfurt von einem Zebrastreifen umschlossen, so wird die Radfahrerfurt dadurch nicht zum Zebrastreifen.

Vorschlag von „Fahrrad Wetter“

Annahme: 
Radfahrer dürfen nicht über einen Zebrastreifen fahren

Tatsache:
Häufig und heiß diskutiert. Diese Frage führt in der Praxis zu Konflikten und gefährlichen Situationen. Die Antwort: Radfahrer dürfen über einen Zebrastreifen fahren! Aber sie haben dann keine Vorfahrt gegenüber den Kraftfahrzeugen. Für Radfahrer ist der Zebrastreifen sozusagen gar nicht vorhanden. Bei Zebrastreifen (Zeichen 293 der Straßenverkehrs-Ordnung) handelt es sich um Fußgängerüberwege. Nur wenn das Fahrrad geschoben wird oder wie ein Roller mit nur einem Bein auf dem Pedal genutzt wird, dann genießt der Radfahrer Vorfahrt. Eins gilt aber für Fußgänger, Autofahrer und Radfahrer: Zebrastreifen müssen immer mit erhöhter Vorsicht angefahren/überquert werden. Wenn das alle machen, dann wird es kaum zu Unfällen kommen.

Rechts überholen an der Ampel

BMVI schreibt

Annahme: 
An Fahrzeugschlangen darf ich bis zur Ampel immer rechts vorbeifahren

Tatsache:
Nach § 5 Absatz 8 StVO darf ich nur an stehenden Fahrzeugschlangen vorsichtig rechts vorbei fahren, wenn ausreichender Raum vorhanden ist. Ausreichend ist der Raum, wenn zwischen Bordstein und wartendem Fahrzeug mindestens 1 m Platz ist. Zudem ist Vorsicht geboten bei wartenden Lkw – die sehen oftmals die Radfahrer neben ihnen nicht, weil sie sich im „toten Winkel“ befinden. Daher sollte man sich niemals neben sie stellen.

Vorschlag von „Fahrrad Wetter“

Annahme: 
An Fahrzeugschlangen muss ich mich als Radfahrer hinten anstellen

Tatsache: 
Nach § 5 Absatz 8 StVO darf ich an stehenden Fahrzeugschlangen vorsichtig rechts vorbei fahren, wenn ausreichender Raum vorhanden ist. Ausreichend ist der Raum, wenn zwischen Bordstein und wartendem Fahrzeug wenn links und rechts jeweils ca. 15 cm Platz sind. Zudem ist Vorsicht geboten bei wartenden größeren PKW, LKW und Bussen die sehen oftmals die Radfahrer neben ihnen nicht. Rechnen Sie immer mit dem Fehler des anderen. Wenn keine Blickkontakt oder eine andere Form der Interaktion sichergestellt werden kann, dann sollte man sich nicht neben sie stellen.

Nebeneinader auf der Straße fahren

BMVI schreibt

Annahme:
Radfahrer dürfen nebeneinander fahren

Tatsache: 
Wie auf der Fahrbahn gilt auch für Radwege, dass Radfahrer grundsätzlich hintereinander fahren müssen (§ 2 Absatz 4 StVO). Nebeneinander dürfen sie nur fahren, wenn dadurch der Verkehr nicht behindert wird. Dies ist immer der Fall, wenn dadurch z. B. die Leichtigkeit des Überholvorgangs gestört wird – das gilt auch für Radfahrer untereinander. Etwas anderes gilt nur in Fahrradstraßen, diese sind aber extra mit einem entsprechenden Verkehrszeichen (Zeichen 244.1/ 244.2) beschildert. Dort darf auch nebeneinander gefahren werden.

Vorschlag von „Fahrrad Wetter“ 

Annahme: 
Radfahrer dürfen nicht nebeneinander fahren

Tatsache:
Nebeneinander dürfen Radfahrer nur fahren, wenn dadurch der Verkehr nicht behindert wird. Dies ist immer der Fall, wenn dadurch z. B. die Leichtigkeit des Überholvorgangs gestört wird – das gilt auch für Radfahrer untereinander. Sonst gilt auf der Fahrbahn und für Radwege, dass Radfahrer hintereinander fahren müssen (§ 2 Absatz 4 StVO). Ein Ausnahme gilt in Fahrradstraßen, diese sind mit einem entsprechenden Verkehrszeichen (Zeichen 244.1/ 244.2) beschildert. Dort darf immer nebeneinander gefahren werden. Ein weitere Ausnahme ist das Fahren im geschlossen Verband mit mehr als 15 Radfahrern. Gemäß § 27 StVO dürfen Radfahrer ausdrücklich zu zweit nebeneinander auf der Fahrbahn fahren. Nebenbei wird dann eine eventuell bestehende Benutzungspflicht von Radwege aufgehoben.

Benutzungspflichtige Radwege

BMVI schreibt

Annahme:
Benutzungspflichtige Radwege muss ich nur benutzen, wenn das zumutbar ist

Tatsache:
Auch wenn benutzungspflichtig angeordnete Radwege nicht den Komfortansprüchen der Radfahrer entsprechen, müssen sie dennoch benutzt werden. Mit der Anordnung der Benutzungspflicht einher geht für Radfahrer immer ein Fahrbahnbenutzungsverbot. Für Rennradfahrer gilt die Radwegebenutzungspflicht übrigens auch, wenn sie angeordnet ist. Nur wenn der Radweg tatsächlich (zugeparkt, Eisschicht etc.) nicht befahrbar ist, dann muss er nicht benutzt werden. Das heißt aber nicht, dass ich dann selbstverständlich auf die Fahrbahn ausweichen darf. Gegebenenfalls (wenn es die Sicherheit erfordert) muss ich an dem Hindernis absteigen und daran vorbei schieben, Achtung: bei Verlassen des Radweges und Wechseln auf die Fahrbahn muss ich den Fahrbahnverkehr vorbeilassen darf nur vorsichtig in die Fahrbahn einfahren.

Vorschlag von „Fahrrad Wetter“

Annahme: 
Radwege müssen immer benutzt werden

Tatsache:
Auch wenn im Volksmund häufig vom Radweg gesprochen wird, so existieren diese seltener als man denkt. Häufig müssen Radfahrende auf der Straße mit dem motorisierten Verkehr fahren oder dürfen wahlweise den Bürgersteig zusammen mit Fußgänger benutzten. Nur wenn eine Radwegbenutzungspflicht besteht, dann ist die Benutzung der Straße untersagt und es existiert dann auch ein Radweg. Es gibt allerdings Ausnahmen, wenn Radweg in einen unzumutbaren Zustand ist, dann darf auf die Straße ausgewichen werden. Dies ist gerade im Hamburger Umland nicht unwahrscheinlich, da viele Radwege seit Jahrzehnten nicht mehr erneuert wurden. Die Radwegbenutzungspflicht wird durch folgende Verkehrszeichen kenntlich gemacht.

Benutzungspflichtige Radwege dürfen dann ignoriert werden, wenn sie objektiv unbenutzbar sind. Dies kann zum Beispiel bei Vereisung, parkenden Fahrzeugen oder unpassierbaren Umlaufsperren der Fall sein. In diesen Fällen darf der Radfahrer auf die Fahrbahn ausweichen und so lange dort fahren, bis die unbenutzbare Stelle passiert und ein gefahrloses Wechseln zurück auf den Radweg möglich ist.

Ein weitere Ausnahme ist das Fahren im geschlossen Verband mit mehr als 15 Radfahrern. Gemäß § 27 StVO dürfen Radfahrer ausdrücklich zu zweit nebeneinander auf der Fahrbahn fahren. Die bestehende Benutzungspflicht von Radwege wird aufgehoben.

Welche Arten von Radwegen es gibt könnt haben wir hier erläutert

Gibt es an der Straße keine Schilder, dann muss der Radfahrer auf die Straße und darf überhaupt nicht auf dem Bürgersteig fahren. Dies gilt inzwischen vielerorts. Auch wenn noch alte Radwege zu erkennen sind, dürfen diese ohne ein Erlaubnisschild vom Radfahrer nicht befahren werden. Sind diese Schild nicht vorhanden, dann sieht der Gesetzgeber die Straße als erste Wahl für Radfahrer.

Zusätzlich gibt es noch eine Wahlfreiheit zwischen Straße und Bürgersteig für Radfahrer, wenn folgendes Schild angebracht wird.

Der Radfahrer hat also selten seinen eigenen Verkehrsraum. Dies führt immer wieder zu Konflikten. Hilfreich ist es, wenn sich jeder Verkehrsteilnehmer dieses Dilemma bewusst macht und bei Begegnungen daran denkt. Wenn ich als Autofahrer einen Radfahrer vor mir auf der Straße sehe, dann darf dieser meist auch dort fahren. Für mich als Autofahrenden ist dies vielleicht nervig, aber der Radfahrer hat häufig keinen eigenen Radweg. Also ruhig bleiben, langsam ran fahren und mit mindestens 1,50 m (gesetzlicher Mindestabstand) oder besser 2 m überholen. Schnelles und zu enges überholen ist extrem gefährlich! Zuwiderhandlungen können übrigens – auch wenn niemand verletzt wurde – als Nötigung oder Gefährdung des Straßenverkehrs ausgelegt und verfolgt werden.

„Geisterfahrer“

BMVI schreibt

Annahme: 
Radfahrer dürfen den entgegen gerichtetem Radweg benutzen

Tatsache: 
Radwege in Gegenrichtung dürfen nur benutzt werden, wenn dies durch ein Verkehrszeichen erlaubt ist. Ansonsten gilt in Deutschland das Rechtsfahrgebot. Also müssen Radfahrer auch grundsätzlich immer den rechten Radweg benutzen. Eine Benutzungspflicht besteht dabei nur für Radwege, die mit einem Zeichen 237, 240 oder 241 beschildert sind. Diese Zeichen ordnen die Radwegebenutzungspflicht an. Andere Radwege sind solche, die nicht diesen Zeichen beschildert sind. Diese dürfen benutzt werden, müssen aber nicht. Dort darf man auch auf der Fahrbahn mit dem Rad fahren. Da zudem nach § 2 Absatz 2 StVO möglichst weit rechts zu fahren ist, stimmt auch die Annahme nicht, dass ich als Radfahrer immer in der Mitte des Fahrstreifens fahren darf. Wie weit ich an den Fahrbahnrand heranfahren muss, entscheidet die konkrete Örtlichkeit (z. B.: Parkstreifen, Gullideckel etc.).

Vorschlag von „Fahrrad Wetter“

Hier werden zwei „Irrtümer“ angesprochen, daher sollte eine Aufteilung erfolgen.

Annahme: 
Radfahrer dürfen den entgegen gerichtetem Radweg benutzen

Tatsache: 
Radwege in Gegenrichtung dürfen nur benutzt werden, wenn dies durch ein Verkehrszeichen erlaubt ist. Ansonsten gilt in Deutschland das Rechtsfahrgebot. Also müssen Radfahrer auch grundsätzlich immer den rechten Radweg benutzen. Eine Benutzungspflicht besteht dabei nur für Radwege, die mit einem Zeichen 237, 240 oder 241 beschildert sind. Diese Zeichen ordnen die Radwegebenutzungspflicht an. Ohne diese Zeichen darf bzw. muss man auch auf der Fahrbahn mit dem Rad fahren.

Annahme: 
Radfahrer müssen immer ganz rechts auf der Fahrbahn fahren

Tatsache: 
Nach § 2 Absatz 2 StVO gilt es möglichst weit rechts zu fahren ist. Aber wie weit rechts ist das? Durch den Rinnstein, wo sich Schmutz und Scherben sammeln muss niemand fahren. Wenn rechts noch Autos parken, dann besteht zudem noch die Gefahr, dass sich die Autotür plötzlich öffnet. Der Abstand vom Lenkerende zu parkenden Autos sollte in etwa 1 Meter betragen. Wenn diese Gefahr nicht vorhanden ist, dann reichen auch 80 cm. Dieser Abstand ist wichtig, wenn z.B. ein überholendes Auto den Sicherheitsabstand nicht einhält. Der Radfahrer hat dann zumindest die Chance nach rechts noch auszuweichen.

Meine Vorschläge gehen an das BMVI. Es bleibt spannend.

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